Wir halten mal fest:
Die FAQs sind im Vergleich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der neuen Editionen extrem gewachsen. Das kann man gleichermaßen positiv sehen (JTL bemüht sich) wie auch negativ (JTL kennt die Bedürfnisse der eigenen Kundschaft nicht). Das Positive will ich gar nicht bestreiten und finde es natürlich gut. Nur sagt mir das Negative etwas ganz Elementares: Auf das Feedback wegen dieser substantiellen Veränderung der Angebotsstruktur war JTL außerordentlich schlecht vorbereitet. Immerhin handelt es sich bei den allermeisten Fragen um durchaus erwartbare. Daraus lerne ich, dass JTL tatsächlich die Bedürfnisse seiner Kundschaft nicht kennt. Ansonsten wäre von vornherein antizipiert worden, was alles von den Kunden an Fragen kommen würde oder anders ausgedrückt: was man in der Darstellung der neuen Editionen alles für Löcher gelassen hat. Immerhin muss man davon ausgehen können, dass ein Hersteller sein Produkt am besten kennt und er durch Kunden-Feedback über viele Jahre hinweg die Unzahl an Anwendungsfällen zumindest insoweit überblicken kann, daß er nur von ganz wenigen Fragen "überrascht" wird und nicht häppchenweise FAQs ergänzen muß, bis diese mehrere Seiten lang sind.
Nun ist die Vielzahl an Fragen und das fast unendliche Aufblähen von FAQs zum selbst gewählten Schicksal nicht automatisch ein Beweis dafür, dass die Editionen an den Bedürfnissen der Kundschaft vorbeigehen. Es fällt mir allerdings reichlich schwer, das Urteil hinsichtlich der gescheiterten Kommunikation am Anfang nicht auch auf die Zusammenstellung der Pakete auszuweiten. Denn das hieße, daß JTL seine Kundschaft so genau kennt, daß es die Editionen richtig gut anhand deren Bedürfnissen zusammengestellt hat, aber gleichzeitig so schlecht, daß es diese viel zu oberflächlich kommuniziert hat. Theoretisch möglich, ja. Aber sehr unwahrscheinlich.
Ich glaube nach wie vor nicht, dass die Editionen besonders viel mit der Lebensrealität von vielen Kunden zu tun haben. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass es niemals eine perfekte Zusammenstellung geben wird, mit der alle glücklich sind. Geht gar nicht, so heterogen wie die Anwendungsfälle sind. Daher wird es natürlich auch ein paar geben, für die alles schier ist. Aber es sagt einem eben auch, dass JTL eine Stärke hatte, die ich zum einen als eine Art von USP (verbunden mit der Kostenlosigkeit der
Wawi und den ansonsten überschaubaren (und zu günstigen Preisen) ansehen würde und die nun zum anderen in einem nicht unwesentlichen Ausmaß verwässert wird: Die Modularität. Da konnte sich doch tatsächlich irgendwie jeder Anwendungsfall wiederfinden.
Stattdessen versucht man erkennbar krampfhaft, die Unzahl an Anwendungsfällen in vier Cluster zu vereinen, kastriert die kostenlose und die "günstigste" Variante, vergoldet die eigenen Unzulänglichkeiten mit neuen Monetarisierungen (Workflows) und garniert das Ganze mit Behauptungen, die durch das Feedback geradezu widerlegt wurden ("Passgenau vorkonfigurierte Softwarepakete für jede Händlergruppe", "Wir haben vier Pakete geschnürt, die Deinen individuellen Ansprüchen für den Omnichannel-Handel gerecht werden."; s. o.) oder aber mindestens zweifelhaft sind:
- - "Im Laufe der Jahre ist die JTL-Lösungswelt enorm gewachsen. Ab dem 01.09.2024 bieten wir Dir deshalb die neuen JTL-Editionen an." Deshalb?
Was genau ist hier die zwingende Kausalität?
- - "... die Module werden künftig technisch aufeinander abgestimmt, um eine nahtlose Funktionalität zu gewährleisten. Daher ist es in der neuen Angebotsstruktur nicht möglich, Module auszutauschen."
Ich bin kein Entwickler bei JTL, daher kann ich mir natürlich nur begrenzt ein Urteil bilden. Aber dass es nicht möglich sein soll, Module auszutauschen, halte ich für eine steile Aussage. Möglicherweise wird es ja pro Edition eine eigene Wawi-Version geben, mag sein. Aber je Versionssprung nach oben wird die nächste Version auch eine Art von Abwärtskompatibilität beinhalten müssen. Was "unten" vorhanden war, muss auch weiterhin "oben" funktionieren, also in dieselbe Software inkludiert sein. Das gilt für jeden der drei Sprünge. Und by the way: Dass die Wawi tatsächlich an Modularität einbüßt, wird ja durch die zubuchbaren Upload-, Konfigurator-, Brandfree-, Auswahlassistent-Modulen sowie Vouchers widerlegt. Ja, ich weiß, die vier erstgenannten sind
Shop-Module, aber auch diese (wohl mit Ausnahme des Brandfree-Moduls) finden ihren Niederschlag in der Wawi.
Neben all dem und den zum Teil saftigen Preisen (BI, API, Pro) komme ich mir nach wie vor insbesondere von dem Vorgehen bezüglich Workflows auf den Arm genommen vor:
Hier gibt es wieder eine schier endlose Menge an Anwendungsfällen, und zwar vom kleinsten Ein-Personen-Betrieb bis hin zum großen Mittelständler. Nicht selten werden Workflows genutzt, um Unzulänglichkeiten der Wawi (seien es Bugs oder fehlende Features) auszugleichen. Das ist ein grundsätzlich funktionierender, wichtiger Teil der Wawi.
Es ist geradezu unverschämt und in höchstem Maße respektlos gegenüber den Kunden, hierbei so zu tun, als gäbe es tatsächlich einen technischen Unterschied zwischen automatischen und manuellen Workflows, der es auch nur im Entferntesten rechtfertigen würde, sie unterschiedlich zu behandeln und bei den manuellen Workflows und noch mehr bei den CustomWorkflows quasi die Hand aufzuhalten. Auch hier gilt: Ich bin kein JTL-Entwickler und lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber Stand jetzt halte ich diese Distinktion für eine rein gewollte zur zusätzlichen Monetarisierung. Es sind die Kunden selbst, die Arbeitszeit in ihre Workflows stecken, zum Teil erheblich viel, insbesondere wenn SQL etc. zum Tragen kommen. Daher würde ich dazu raten, nicht nur "initial" (was auch immer das konkret nach hinten raus bedeutet; keine Aussage dazu bisher!) diese Eigenleistung der Kunden zu belassen, sondern dauerhaft, egal ob es sich um manuelle oder um CustomWorkflows handelt.
Zur Anzahl der manuellen Workflows (bzw.
Workflow-Ereignisse, ändert aber kaum etwas): Es gibt aktuell in der Wawi (Servicedesk mal ausgenommen) 11 "Manuell"-Bereiche. Es gibt also rein rechnerisch selbst in Advanced nicht einmal genug für einen pro Bereich. Was sollen also 10? Warum nicht 5, warum nicht 15 oder 20? Hat jemand gewürfelt? Oder geht es darum, den Kunden ein Leckerli hinzulegen, um Lust auf mehr zu machen? Für 200 € netto mehr im Monat. Um vornehmlich nicht vorhandene Features zu ergänzen oder Bugs zu umgehen.
Teilweise nochmals (und vornehmlich an die JTL-Versteher gerichtet):
- Ich weiß, dass es die Mitbewerber genauso schlimm oder sogar noch schlimmer treiben. Aber das ist doch nicht ernsthaft der Maßstab, oder?
- Ich bin kein JTL-Entwickler, daher lasse ich mich gerne eines Besseren belehren. Aber dann bitte liebe Leute von JTL, belehrt mich und behauptet nicht einfach nur.
- Bisher war JTL im Branchenvergleich sehr günstig, zuweilen zu günstig. Daher sind höhere Preise auch nicht das Problem. Es geht nach wie vor um das Ausmaß und die Art und Weise. Dazu siehe auch 1.
- Wahr ist aber auch, dass JTL zumindest gemäß den veröffentlichten Jahresabschlüssen nicht am Hungertuch genagt hat oder nagt. Auch wenn die Braut für den Verkauf mit Sicherheit noch mal schön aufgehübscht wurde.
- Wer behauptet, ihm seien die Kunden wichtig, verliert eine gehörige Portion Vertrauen, wenn er sich anders verhält. Die Währung Vertrauen hat bei JTL definitiv an Wert verloren. Man könnte es auch einen Crash nennen.
- Dass sich in einem Forum ein gemessen an der Masse an allen Kunden nur kleiner Haufen lautstark äußert, ist kein Beweis dafür, dass man inhaltlich und/oder formal richtig lag. Was in der gesamten Gesellschaft gilt, gilt auch hier: Eine leise und nicht selten unzufriedene Mehrheit ("Ich kann ja eh nichts dran ändern".) Nur anders als in der Politik (leider!) haben die hier Betroffenen regelmäßig keine Alternative (auch leider). Aber ich lasse mich auch hier belehren, wenn man mir nachweist, dass es viele Zuschriften gab, die JTL für die neuen Editionen gedankt haben.
- Die Wawi ist mächtig, wenn man sie einzusetzen und Bugs oder fehlende Features auszugleichen weiß. Tatsache ist aber auch, dass es an derart vielen Ecken und Kanten hakt, dass die jetzige Monetarisierung eher wie Realsatire daherkommt. Siehe dazu auch 1.
Was ich mittlerweile wirklich beschämend finde, ist die Tatsache, dass es seitens JTL keine einzige Silbe hinsichtlich der hier aufgebrachten Kritik und der vorgebrachten Änderungswünsche gibt. Zeit genug war da, vor allem vor dem Hintergrund, dass alles in nicht mal zwei Wochen wirksam wird.
Das einfache Wiederholen der bereits veröffentlichten Inhalte mitsamt konkretisierter Antworten auf Fragen zu den Inhalten der Editionen ist keine (!) Reaktion auf die Kritik oder die Wünsche.
Wer von sich behauptet, ihm seien die Kunden wichtig, muss sich auch mit der Kritik auseinandersetzen und (!) darauf entsprechend elaboriert reagieren. Das fehlt aber vollkommen, nach wie vor. Daher vermag ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht zu erkennen, wo genau ich als Kunden wichtig sein soll.
Mag ketzerisch daherkommen, trifft aber die Gemütslage (und gleichzeitig womöglich den Falschen): Manuel sollte keines seiner Videos mehr mit "Hi Freunde" beginnen. Freunde sind wir sicher nicht!