Du schätzt Umsatz, Größe und Gewinn von JTL völlig falsch ein. JTL hat vor dem Verkauf 20 Millionen Umsatz bei 10 Millionen EBITDA gefahren:
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Kurz, wäre es um Personal gegangen, JTL hätte auch so den aktuellen Personalstamm deutlich erweitern können und am Ende immer noch Gewinn gemacht.
JTL hatte keineswegs ein Problem bei Umsatz oder Gewinn. JTL wurde verkauft weil die Gründer verkaufen wollten, absolut legitim. Alles richtig gemacht.
JTLs Problem sieht völlig anders aus. Die Software ist veraltert. Konfiguration und Einstieg sind überkomplex. Es gibt keine automatisierten Helfer, der Kunde wird durch viel zu viele Menüs erschlagen. Darüber hinaus ist das Ding nur für den deutschen Markt gebaut. Man könnte jetzt sagen: die EBITDA Aufhübschung für den Verkauf hat JTL mit zu wenig Personal, technischer Entwicklung und damit einem Verlust an Zukunftsfähigkeit erkauft. Im Endeffekt sind für das bisherige Kundenkonzept die Kosten für das jetzt angebotene Produkt zu hoch bzw die Leistung des Produktes ist zu schlecht.
Die neue Lizenzstruktur sagt auch genau das aus. JTL hat nicht die passende Software um den
Shopify Weg zu gehen. Da hier wohl keine schnelle Heilung in Sicht ist wird das Zielpublikum neu definiert, hin in Richtung des M aus KMU (und gerne größer). Ab einer gewissen Größe stellt auch die Komplexität der Software keinen Nachteil mehr dar sondern wird als Flexibilität wahrgenommen. Kann ich einen Sysadmin /
Servicepartner etc bezahlen gibt es kein Problem.
Meiner Meinung nach ist es aus JTLs Sicht viel zu kurzsichtig gedacht Kleinkunden zu verprellen. Aus Kleinkunden werden Großkunden, wie JTL sicher an 100en der eigenen Anwender nachverfolgen kann. JTL hat als ERP Anbieter eigentlich ein enormes Interesse daran, dass die eigene Kundschaft wächst und so auch immer mehr der Bedarf an den kostenpflichtigen Moulen steigt. Shopify ist nicht ohne Grund DER Ecommerce Gewinner der letzten Jahre. Extrem niedrige Einstiegskosten (fiskalisch wie bei technischem Knowhow) für Startups. Was da über die Jahre alles an Gelddruckmaschinen herangewachsen ist...
JTL hatte als Firma jetzt die Möglichkeit den Umbau aus den durchaus vorhandenen eigenen Mitteln zu finanzieren. Dieser Prozess scheint aber seit Jahren nicht voranzukommen. Die langwierige und bruchstückhafte sprachliche Internationalisierung lässt tief blicken. Und wir sind hier noch nichtmal bei Themen wie landesspezifischen Steuer- oder Rechtsgeschichten. Im Endeffekt kann man diese Prozessproblematiken bei JTL im Forum bei jeder größeren und selbst kleineren externen Änderung nachvollziehen. DHL ändert ein neues Produkt? Dauert Monate nenn Haken einzubauen. Die OSS Einführung war ein Drama. Amazon Änderungen bei Upload Vorlagen werden seit Jahren nicht eingepflegt.
Deshalb wird JTL auch ohne Wenn und Aber den Weg in die Cloud gehen. Sie kriegen die on premise Software nicht in den Griff. JTL die Software ist für JTL die Firma zu komplex geworden. Auch hier könnte man wieder fragen, ob das mit Reinvestition statt Gewinnabschöpfung vielleicht anders ausgesehen hätte. Aber wie Lothar so schön gesagt hat: Wäre, wäre, Fahrradkette.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass hier bereits ein Konzept mit schöner neuer Einsteigermaske vorbereitet wird. Und einer schönen neuen Maske für den Browser. Vielleicht so integriert, dass
Shop Backend,
WMS etc gleich alles zusammenrutscht.
Und ich bin mir sehr sicher, dass die on premise Wawi diese eher nicht bekommen wird, wie auch viele weitere der dringend nötigen Verbesserungen, um JTL auch zukünftig für Startups attraktiv zu machen. Ich hoffe Stand jetzt noch, dass on premise zumindest weiter die relevanten Funktionsupdates bekommen wird. Darauf kalkulieren tue ich im Rahmen der Entwicklungen der letzten Monate nicht mehr.