Hallo ruth,
wir sind nicht auf der JTL-Hausmesse vertreten, weil in Bayern zu dieser Zeit noch Schulferien sind
und wir uns schwer tun, genug Personal (viele MA mit schulpflichtigen Kindern) für den Stand zusammenzubekommen.
Dass unsere Kundenbetreeung deine Fragen nicht beantworten konnte, tut mir leid.
Ich habe das zum Anlass genommen, unser Team nochmals entsprechend zu schulen.
Nun zu deiner Frage nach der Sinnhaftigkeit von "Tools" wie Nexus.
Ich wage den Versuch einer Erklärung, obwohl das Thema für einen Forenbeitrag
an sich zu vielschichtig und komplex ist.
Zunächst einmal muss man die Aufgaben der Buchhaltung beschreiben.
Die Buchhaltung soll (u. a.) zunächst einmal sicherstellen, das der Unternehmer korrekt Steuern zahlt.
Das Gesetz spricht hierbei von einer progressiven und einer retrograden Funktion der Aufzeichnungspflicht.
D. h., dass man von der Steuererklärung "rückwärts" alle Belege finden muss, die in die Steuererklärung
eingeflossen sind und andersherum alle Belege "vorwärts" bis in die Steuererklärung hinein
verfolgen können muss.
Nun bringt es der Onlinehandel mit sich, dass durch den Versand aus und nach aller Herren Länder
eine umsatzsteuerliche Vielfalt entseht, die beinahe die Ausmaße eines internationalen Konzerns
annimmt (Ein durchschnittlicher Onlinehändler, der europaweit handelt hat rd. 30 umsatzsteuerliche
Einzefälle. Wenn er noch Amazon PAN EU macht, sind wir bei rd. 60 Einzelfällen.)
Darüber hinaus sind mehrere Systeme an der Geschäftsabwicklung beteiligt (JTL, Amazon, ebay, Shops,
Finanzbuchhaltunghaltung usw.)
Die Aufgabe der Buchhaltung besteht nun darin, alle Geschäftsvorfälle so aufzuzeinchen, dass daraus
(unter anderem)klar hervorgeht, welche Steuerlast an wen (welches Land) zu bezahlen ist.
Diese Aufzeichnung hat lt. Gesetz sinngemäß aus eigenen Unterlagen und aus den Originalbelegen zu erfolgen.
D. h., dass du deine Rechnungen aus der
JTL-Wawi verbuchen musst und ebenso den Amazon-Settlement-Report,
den PayPal-Kontoauszug und auch den ganz normalen Kontoauszug deiner Bank.
Nun ordnest du in deiner JTL-Wawi z. T. von Hand, z. T. automatisch jeden Tag die PayPal- und Bank-Zahlungen
den Bestellungen zu, Amazon geht sowieso automatisch.
Die Buchhaltung muss nun aber sicherstellen, dass der PayPal-Kontoauszug (genauso die Bank und Amazon usw.)
VOLLSTÄNDIG in der Buchhaltung aufgezeichnet wird; also alle Gebühren, Bezahlung von Lieferanten,
Sicherheitseinbehalte etc. Viele dieser Positionen werden in der Warenwirtschaft nicht erfasst und
können demnach auch nicht exportiert werden.
Um nun den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, braucht es zwei Dinge:
1. Eine offene Posten Buchhaltung
2. Die vollständige Verbuchung der Originalbelege
Die offene Posten-Buchhaltung ist ein Vefahren, bei dem jede Rechnung einzeln eingebucht wird.
Die Zahlungen (Amazon, PayPal, Bank etc.) werden nun ebenfalls einzeln den Rechnungen zugeordnet.
Wenn z. B. jede Zahlung aus dem Amazon-Settlement-Report einer entsprechenden Rechnung aus JTL zugeordnet
ist, dann ist klar, dass du kein Geld am Fiskus vorbeigeschleust hast und dass Amazon alle Rechnungen
bezahlt hat. Und genau hier kommt unser Nexus zum Einsatz.
Er holt sich aus der JTL-Wawi die einzelnen Rechnungen, prüft diese rechnerisch und auch unter
umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten (z. B. war der auf der Rechnung angegebene Steuersatz
zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung überhaupt zulässig) und erstellt dann die sog. Debitoren-Sollstellungen.
D. h. er erzeugt eine Buchungsdatei, die in das Finanzbuchhaltungssystem eingelesen wird.
Dort sind dann zunächst einmal alle Rechnungen einzeln aufgezeichnet.
Anschließend liest man die Abrechnungen/Kontoauszüge von Amazon, Paypal etc. ein.
Nun geht es genau andersherum: Nexus sucht zu jeder Zahlung die entsprechende Rechnung und gleicht
diese aus. Gebühren, Währungswechsel, Sicherungseinbehalte, Käuferkonflikte etc. werden dabei
ebenfalls einzeln gebucht. Anschließend geht dann wieder alles in die Finanzbuchhaltung.
Wenn man die Buchhaltung systemisch korrekt aufzieht (Details würden an dieser Stelle zu weit führen),
kann gegenüber dem Finanzamt problemlos nachgewiesen werden, dass alles seine Richtigkeit hat.
Weiterhin kann man Nexus so einstellen, dass wichtige betriebswirtschaftliche Zahlen direkt
in der BWA ablesbar sind. Z. B. der Umsatz pro Verkaufskanal, Retouren und die versteckten Wechselgebühren,
die PayPal beim Währungstausch erhebt, die aber nirgends stehen.
Was von den meisten Händlern unterschätzt wird, ist die Meldung falscher Umsatzsteuerwerte.
Die Korrekturmaßnahmen, Säumniszuschläge etc. können sehr schnell Ausmaße annehmen, die
selbst ein gut aufgestelltes Onlinehandelsunternehmen in die Insolvenz treiben.
Wenn es ganz dick kommt, drohen auch noch strafrechtliche Konsequenzen.
Ich hoffe, dass ich dir zumindest ein bischen aufzeigen konnte, warum man sowas wie unseren Nexus braucht.
Der ist übrigens kein "Tool", sondern eine ausgewachsene Software: Das aktuelle Handbuch hat über 1000 Seiten.
Übrigens: Die Software ist nur die halbe Miete. Wichtig ist eine komplette Beschreibung, wie die Buchhaltung
abläuft, aus welchem System welche Daten kommen, wie diese verprobt, abgestimmt und archiviert werden.
(sog. GoBD-Verfahrensdokumentation).
Wer es etwas einfacher haben möchte: auf wwww.dekodi.de/Videos haben wir ein paar Erklärfilme (auch in verschiedenen Dialekten)
in denen das Buchhaltungsthema nochmals recht anschaulich und vor allem lustig erläutert wird.
Ansonsten kannst du uns gerne anrufen.
Viele Grüße aus Franken
Stefan