Ki meint dazu:
Es ist grundsätzlich möglich, einen Firmensitz z.B. in Österreich zu haben und die Pakete aus Deutschland zu versenden. Dies ist eine gängige Praxis, insbesondere für Online-Händler, die logistische Vorteile oder bessere Konditionen bei deutschen Versanddienstleistern nutzen möchten.
Allerdings gibt es dabei eine Reihe von steuerlichen und rechtlichen Aspekten zu beachten, die komplex sein können. Hier eine Übersicht der wichtigsten Punkte:
Rechtliche Aspekte
- Firmensitz in Österreich:
- Gründung: Sie müssen die österreichischen Vorschriften zur Unternehmensgründung beachten (z.B. Gewerbeanmeldung, Eintragung ins Firmenbuch je nach Rechtsform).
- Meldepflichten: Alle für den Firmensitz relevanten Meldepflichten in Österreich müssen erfüllt werden (z.B. Finanzamt, Sozialversicherung).
- Impressumspflicht: Ihre Website und alle Geschäftsdokumente müssen ein korrektes österreichisches Impressum aufweisen.
- Versand aus Deutschland (Logistik):
- Vertrag mit Logistikdienstleister: Sie benötigen einen Vertrag mit einem deutschen Logistikdienstleister (z.B. DHL, Hermes, DPD etc.).
- Lagerhaltung: Wenn Sie ein eigenes Lager in Deutschland betreiben, müssen Sie möglicherweise auch deutsche gewerberechtliche Vorschriften beachten. Oft wird jedoch ein externer Fulfillment-Dienstleister genutzt, der die Lagerung und den Versand übernimmt.
- Produkthaftung: Die Produkthaftung richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Firmensitzes (Österreich), aber auch nach dem Recht des Landes, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wird (ggf. Deutschland, wenn dort die Produktion oder erste Inverkehrbringung stattfindet).
Steuerliche Aspekte
Dies ist der komplexeste Bereich und erfordert oft die Konsultation eines Steuerberaters, der sich mit internationalem Steuerrecht auskennt.
- Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer):
- Österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID-Nummer): Diese benötigen Sie als österreichisches Unternehmen.
- Lieferortprinzip: Im B2C-Geschäft (Verkauf an Endkunden) innerhalb der EU gilt das Bestimmungslandprinzip für Fernverkäufe. Das bedeutet, dass Sie die Umsatzsteuer in dem Land abführen müssen, in dem der Kunde seinen Sitz hat.
- OSS (One Stop Shop) Verfahren: Seit 1. Juli 2021 gibt es das OSS-Verfahren. Wenn Ihr Gesamtumsatz aus Fernverkäufen innerhalb der EU 10.000 EUR pro Jahr übersteigt (Schwellenwert für Kleinunternehmerregelung beachten), müssen Sie die Umsatzsteuer des jeweiligen EU-Landes erheben und über das OSS-Portal in Österreich zentral abführen. Dies vereinfacht die Abführung erheblich, da Sie sich nicht in jedem EU-Land einzeln registrieren müssen.
- Sonderfall Deutschland: Wenn Sie Waren von Deutschland aus an deutsche Kunden versenden, müssen Sie die deutsche Umsatzsteuer berechnen und abführen, auch wenn Sie einen Firmensitz in Österreich haben (sofern der Schwellenwert überschritten wird). Dies wird ebenfalls über das OSS-Verfahren abgewickelt.
- Reverse-Charge-Verfahren: Im B2B-Geschäft (Verkauf an andere Unternehmen) innerhalb der EU kommt oft das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung. Das bedeutet, dass die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger (den Käufer) übergeht. Sie stellen eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus und der Käufer führt die Umsatzsteuer in seinem Land ab.
- Vorsteuerabzug: Sie können die in Deutschland gezahlte Vorsteuer (z.B. für Logistikdienstleistungen) grundsätzlich in Österreich geltend machen.
- Körperschaftsteuer / Einkommensteuer:
- Ansässigkeitsstaatprinzip: Ihr Unternehmen ist in Österreich ansässig und unterliegt der österreichischen Körperschaftsteuer (bei Kapitalgesellschaften wie GmbHs) oder Einkommensteuer (bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften) auf das weltweite Einkommen.
- Betriebsstätte in Deutschland: Dies ist ein kritischer Punkt. Wenn Sie in Deutschland eine "feste Geschäftseinrichtung" unterhalten, durch die die Geschäfte ganz oder teilweise ausgeübt werden, könnte dies eine Betriebsstätte in Deutschland begründen.
- Indizien für eine Betriebsstätte: Ein eigenes Lager, eigene Mitarbeiter, die von Deutschland aus agieren, oder eine zu intensive Tätigkeit eines Fulfillment-Dienstleisters könnten eine Betriebsstätte darstellen.
- Folgen einer Betriebsstätte: Wenn eine Betriebsstätte in Deutschland angenommen wird, wäre der auf diese Betriebsstätte entfallende Gewinn in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig. Dies führt zu einer Doppelbesteuerung, die jedoch durch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und Deutschland gemindert oder vermieden wird. Das DBA regelt, welchem Land das Besteuerungsrecht für welche Einkünfte zusteht.
- Gewerbesteuer (Deutschland):
- Sollte eine Betriebsstätte in Deutschland vorliegen, könnte unter Umständen auch Gewerbesteuer in Deutschland anfallen.
Was ist besonders zu beachten?
- Vermeidung einer deutschen Betriebsstätte: Das ist das A und O. Die Nutzung eines externen Fulfillment-Dienstleisters (Lagerung und Versand durch Dritte) ist oft der beste Weg, um keine eigene Betriebsstätte zu begründen. Achten Sie darauf, dass der Dienstleister nicht als Ihr "verlängerter Arm" agiert und keine Entscheidungsbefugnisse hat. Die Kontrolle und Steuerung des Geschäfts muss klar vom österreichischen Firmensitz aus erfolgen.
- Klare Vertragsgestaltung: Die Verträge mit Ihrem deutschen Logistikdienstleister sollten präzise formuliert sein und klarstellen, dass keine dauerhafte Geschäftsstelle in Deutschland etabliert wird.
- Dokumentation: Führen Sie eine sorgfältige Buchhaltung und Dokumentation aller Geschäftsvorgänge, um bei eventuellen Anfragen der Finanzbehörden (sowohl in Österreich als auch in Deutschland) alles nachweisen zu können.
- Steuerliche Beratung: Suchen Sie unbedingt einen Steuerberater auf, der Erfahrung im internationalen Steuerrecht (insbesondere im deutsch-österreichischen Kontext) hat. Dieser kann Ihre individuelle Situation prüfen und Sie umfassend beraten, um Compliance zu gewährleisten und unnötige Steuerrisiken zu vermeiden.
Zusammenfassend: Ja, es ist machbar, aber nicht trivial. Der Schlüssel liegt in der korrekten Handhabung der Umsatzsteuer (OSS-Verfahren) und insbesondere in der Vermeidung einer ungewollten Betriebsstätte in Deutschland. Eine professionelle steuerliche Beratung ist hier unerlässlich.